Bonn (dts Nachrichtenagentur) - Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio warnt vor den Risiken eines Verbotsverfahrens gegen die AfD.
Angesichts von Radikalisierungstendenzen sei es zwar angebracht, die Partei zu beobachten. "Was indes vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Tatsachenmaterial bekannt wurde, fand ich für die Begründung einer kämpferischen Verfassungsfeindlichkeit als die Partei prägende Tendenz noch nicht überzeugend", sagte Di Fabio dem "Handelsblatt".
Der Professor der Universität Bonn fürchtet deshalb, dass ein Verbotsverfahren scheitern könnte, was die AfD stärken würde. "Doch auch ein Erfolg könnte sich als Pyrrhussieg erweisen. Vielleicht würde über Nacht eine neue, noch radikalere Partei entstehen", gab Di Fabio zu Bedenken. Besser sei die Strategie, die AfD politisch zu schwächen. Dies sei nach wie vor möglich. Die Partei "hat schon jetzt keine Zuwächse mehr, weil der Eindruck entstanden ist, dass es die neue Bundesregierung bei der Begrenzung der Migration ernst meint", sagte Di Fabio.
Wenn sich die schwarz-rote Koalition in weiteren Bereichen handlungsfähig zeige, könne das die Zustimmung zur AfD mindern. "Man muss keineswegs das AfD-Programm abschreiben, sondern mehr staatliche Handlungsfähigkeit zeigen und auch eine klare Ansprache beherrschen", sagte Di Fabio. Er glaube, es gebe "erste Anzeichen dafür, dass das besser als zuvor gelingen könnte".
Zudem zeigte der Ex-Bundesverfassungsrichter Verständnis für Israels Militärschläge gegen den Iran. "Teheran bedroht seit langem die regionale Stabilität", sagte Di Fabio dem "Handelsblatt". Es habe mit seinen "Terrortruppen" nicht nur einen dichten "Umklammerungsring" um Israel gelegt, sondern auch Länder wie Saudi-Arabien zumindest latent bedroht. "Die Atombombe in der Hand einer solch aggressiven Macht wäre brandgefährlich", warnte Di Fabio.
Er sieht zudem die Tendenz, dass solche Luftschläge zum Modell für andere Länder werden könnten: "Tatsächlich ist das Völkerrecht ein (auch) aus der Praxis lernendes Recht", erklärte der ehemalige Verfassungsrichter. "Das heißt, es verändert sich in bestimmten Fällen durch Fakten, die die Politik schafft."
Die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Israel erledige die "Drecksarbeit" für uns alle, verteidigte Di Fabio: "Mit der Schwächung des Irans ist dem Friedensinteresse vieler Völker, auch dem iranischen Volk selbst, ein Dienst erwiesen worden." Bei aller Skepsis, was die Möglichkeiten zur rein militärischen Befriedung des Nahen Ostens angehe, so deute doch einiges auf die "Verbesserung" der strategischen Situation hin.
"Wir kommen nicht darum herum, deutlicher unsere Interessen zu erkennen und zu schauen, mit wem wir in welcher Form unsere Werte durchsetzen", forderte der Jurist. "Zu der Wortwahl hätte ich womöglich nicht geraten", sagte Di Fabio dem "Handelsblatt". "Aber vielleicht ist die bis dato gepflegte diplomatisch verbrämte Art der Problembeschreibung auch ein Grund für die Entfremdung von Politik und Wählern."
Brennpunkte
Ex-Verfassungsrichter warnt vor "Pyrrhussieg" bei AfD-Verbot
- dts - 5. Juli 2025, 16:05 Uhr

.
Weitere Meldungen
Im Streit um sein Atomprogramm will der Iran die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) "in neuer Form" fortsetzen. Die Zusammenarbeit sei "nicht
MehrNach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump von Zöllen in Höhe von 30 Prozent für die Europäische Union (EU) hofft Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)
MehrBerlin/Neu-Delhi (dts Nachrichtenagentur) - Der Absturz des Air-India-Flugzeugs am 12. Juni in Ahmedabad mit 260 Toten ist nach Einschätzung des Luftfahrtexperten Heinrich
MehrTop Meldungen
Washington (dts Nachrichtenagentur) - US-Präsident Donald Trump hat Zolle auf Einfuhren aus der Europäischen Union in Höhe von 30 Prozent angekündigt. Diese sollen ab dem 1.
MehrBerlin (dts Nachrichtenagentur) - Der Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, verlangt im Kampf gegen die Klimakrise die Vergesellschaftung von mehreren deutschen
MehrBerlin (dts Nachrichtenagentur) - Beim geplanten Gesetz zur Arbeitszeiterfassung bahnt sich ein Konflikt zwischen Bundesregierung und Gewerkschaften an. Während die Koalition
Mehr