Wirtschaft

Koalition einig bei Bürgergeld-Sanktionen, Aktiv-Rente und Straßenbau

  • AFP - 9. Oktober 2025, 11:24 Uhr
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Koalitionsspitzen im Kanzleramt
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Bürgergeld-Sanktionen für 'Totalverweigerer' bei der Job-Suche, die Aktiv-Rente bliebt komplett steuerfrei und für den Straßebau gibt es zusätzlich drei Milliarden Euro: Die Spitzen von Union und SPD haben bei ihrem Koalitionsausschuss Einigungen bei zentralen Reformvorhaben erzielt.

Bürgergeld-Sanktionen für "Totalverweigerer" bei der Job-Suche, die Aktiv-Rente bliebt komplett steuerfrei und für den Straßenbau gibt es zusätzlich drei Milliarden Euro: Die Spitzen von Union und SPD haben bei ihrem Koalitionsausschuss bis in die Nacht zum Donnerstag Einigungen bei zentralen Reformvorhaben erzielt. Offen blieb kurz vor dem Spitzentreffen mit der Autowirtschaft jedoch weiter der Streit um eine mögliche Abkehr vom Verbot neuer Verbrenner-Fahrzeuge ab 2035.

Gut acht Stunden verhandelten die Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD bis in die Nacht zum Donnerstag im Kanzleramt. Bei den Themen Bürgergeld, Aktiv-Rente und Straßenbau hätten sich die Koalitionspartner nun "vollständig geeinigt", sagte Merz am Donnerstagvormittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzen der Koalitionspartner. Er sprach von einer "ausgesprochen guten Atmosphäre".

Beim bisherigen Bürgergeld sollen die Leistungen nach dem dritten versäumten Termin im Jobcenter vollständig gestrichen werden, wie Merz sagte. Beim zweiten versäumten Termin werde es eine sofortige Kürzung von 30 Prozent geben. CSU-Chef Markus Söder betonte mit Blick auf die dabei geplante Umstellung auf die sogenannte neue Grundsicherung: "Das Bürgergeld ist jetzt Geschichte."

Bundesarbeitsminister Bärbel Bas (SPD) hielt die Vereinbarung sowohl verfassungsrechtlich als auch in ihrer Partei für vertretbar. Die Koalition schöpfe mit den Änderungen nun den Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, sagte sie. Zudem bleibe es bei dem Prinzip, dass Jobcenter und Arbeitssuchende "auf Augenhöhe" über einen Kooperationsvertrag zusammenarbeiteten. Erst wenn gegen diesen verstoßen werde, habe das Folgen.

Erwartungen, dass durch die Sanktionen gegen "Totalverweigerer" nun viel Geld eingespart werde, dämpfte Bas: "Der Betrag wird sehr klein sein", sagte sie. Vereinbart wurde aber auch, dass es keine Karenzzeit mehr bei der Anrechnung höherer Vermögen gibt. Die Höhe des weiter dabei verschonten Vermögens wird fortan "an die Lebensleistung des Betroffenen gekoppelt".

Einig wurden sich die Koalitionspartner auch beim Thema Aktiv-Rente. Sie sieht vor, dass Erwerbstätige nach dem Renteneintrittsalter bis zu 2000 Euro steuerfrei hinzu verdienen können. Wie von der Union gefordert, wird dieser Betrag nun zudem auch vom sogenannten Progressionsvorbehalt ausgenommen. Dieser hätte sonst dazu geführt, dass der steuerfreie Zusatzverdienst die Steuerlast erhöht, weil der Steuersatz wegen des höheren Gesamteinkommens steigt.

Die Aktiv-Rente soll laut Merz in der kommenden Woche vom Kabinett beschlossen werden. Sie soll dann mit weiteren Änderungen des Rentenpakets 2025 zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Bei der Frühstartrente zum Aufbau eines Vorsorgedepots schon im Jugendalter soll es noch in diesem Jahr Eckpunkte geben. Sie soll rückwirkend zum 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Im Streit um die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur stellt die Koalition nun drei Milliarden Euro "für den Neubau der Straße" zusätzlich zur Verfügung, wie Merz sagte. "Wichtig war uns, dass wir jetzt heute alle baureifen Projekte beginnen können." Nach zwei Jahren solle überprüft werden, ob die Mittel ausreichten. 

Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte Mitte September für den Zeitraum von 2026 bis 2029 rund 15 Milliarden Euro zusätzlich für den Aus- und Neubau von Straßen gefordert. Sein Ministerium warnte vor dem Stopp bereits baureifer Projekte und sorgte damit in Ländern und Kommunen für Aufregung. 

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte, der von Schnieder genannte Betrag habe sich nach einer Überprüfung "erheblich verringert". Er verwies darauf, dass schon bisher bis 2029 rund 166 Milliarden Euro für den Ausbau von Straßen, Brücken, Schiene und Wasserstraßen zur Verfügung stünden.

Die zusätzlichen Gelder für den Straßenbau werden laut Klingbeil durch Umschichtungen im Infrastruktur-Sondervermögen aus dem Bereich Mikroelektronik bereit gestellt und seien keine zusätzlichen Haushaltsmittel. Weitere drei Milliarden Euro soll es dem Finanzminister zufolge für Förderprogramme für kleine und mittlere Einkommen geben, um den Betroffenen den Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge zu ermöglichen.

Bei der Unionsforderung, das Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zumindest zu lockern, konnte sich die Koalition noch nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Allerdings seien die Beteiligten "in der Debatte schon sehr weit gekommen", sagte Klingbeil. CSU-Chef Söder bekräftigte, dass er weiterhin die EU-Vorgabe ablehne, ab 2035 de facto keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. Am Nachmittag findet im Kanzleramt ein Spitzentreffen mit der Automobilwirtschaft statt, bei dem es auch um das Thema gehen dürfte.

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