Politik

Kabinett beschließt Reform zur Entlastung von Rettungsdiensten und Kliniken

  • AFP - 17. Juli 2024, 15:35 Uhr
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Ein Rettungswagen steht vor dem Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart.
Bild: AFP

Die Ampel-Koalition will die Notfallversorgung reformieren - und damit Rettungsdienste und Klinik-Notaufnahmen entlasten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch.

Die Ampel-Koalition will die Notfallversorgung reformieren - und damit Rettungsdienste und Klinik-Notaufnahmen entlasten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch. Eingeführt werden sollen demnach "Akutleitstellen" und "Integrierte Notfallzentren". Lauterbach selbst nannte die Reform "dringend notwendig" und "überfällig", der GKV-Spitzenverband begrüßte sie ebenfalls, Patientenschützer zeigten sich hingegen skeptischer.

Ein Kernstück des Vorhabens ist die Einführung von "Akutleitstellen" - und dazu die Vernetzung der bundesweiten Notrufnummer 112 und der Rufnummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdiensts 116117. Die Mitarbeitenden der Leitstellen sollen künftig bewerten, wie dringlich die Beschwerden der Anrufenden sind und diese in die passende Behandlung vermitteln. 

Ärztinnen und Ärzte in den Leitstellen sollen zudem eine Beratung per Telefon oder per Video anbieten. Falls jemand die 116117 wählt, es sich aber um einen schweren Unfall handelt, wird der Anruf Lauterbach zufolge "sofort auf die 112 umgelegt".

Reduziert werden soll mit den Maßnahmen die Zahl der verzichtbaren Notfalleinsätze. "Wer ambulant behandelt werden kann und wem vielleicht sogar telefonische oder videogestützte Beratung genügt, der muss nicht ins Krankenhaus", erklärte dazu der Gesundheitsminister. 

Ein zweiter Kernpunkt der Reform ist die Schaffung von "integrierten Notfallzentren". Diese sollen künftig die zentralen Anlaufstellen im Notfall sein - und das rund um die Uhr. Ihren Sitz hätten sie den Plänen Lauterbachs zufolge in einem Krankenhaus, dessen Notaufnahme würde dafür mit einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle kombiniert werden.

Wesentliches Element eines Integrierten Notfallzentrums wäre laut Gesetzentwurf die Ersteinschätzungsstelle: Diese soll Hilfesuchende an die passende Einrichtung, also zum Beispiel die Notdienstpraxis, verweisen. Ebenfalls eingebunden werden sollen niedergelassene Praxen.

"Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass Sie im Notfall schnell und gut versorgt werden", erklärte Lauterbach weiter zum Kabinettsbeschluss. "Dafür entlasten wir die notorisch überfüllten Notaufnahmen und sorgen für eine funktionierende Patientensteuerung." Der Minister betonte: "Akutversorgung soll in Zukunft dort stattfinden, wo sie medizinisch auch sinnvoll ist."

Die geplanten Änderungen sorgten dafür, "dass Patientinnen und Patienten in akuten Notfällen schneller und zielgerichteter die Hilfe erhalten, die sie benötigen", hob auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hervor. Dies führe zu einer höheren Versorgungsqualität, verbessere die Effizienz und entlaste langfristig die gesetzliche Krankenversicherung.

Deren GKV-Spitzenverband begrüßte die Reform bereits. Diese enthalte "viele richtige Ansatzpunkte, um die Versorgung unserer Versicherten zu verbessern", erklärte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbands, Stefanie Stoff-Ahnis. "Eine effiziente Steuerung der Hilfesuchenden versorgt diese schneller und bedarfsgerecht, gleichzeitig können Notaufnahmen und Rettungsstellen entlastet werden."

Eher skeptisch reagierten hingegen Patientenschützer. Die geplanten Integrierten Notfallzentren weckten hohe Erwartungen, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. "Doch das Konzept gleicht einer Operation am offenen Herzen. Ob das passgenau gelingt, bleibt abzuwarten." Die Schnittstellen zwischen den Akteuren des komplexen Systems müssten funktionieren, gab Brysch zu bedenken.

Kritik kommt von den Linken. Lauterbach gehe das offensichtlichste Problem nicht an - "die überaus defizitäre Finanzierung der Notfallversorgung im Krankenhaus", kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Kathrin Vogler. Dies sei eine schlechte Nachricht für Patienten und Personal. "Denn unterfinanzierte Notaufnahmen führen zu unterbesetzten Notaufnahmen, daran wird sich mit diesem Gesetz leider nichts ändern."

Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch nicht nur eine Reform der Notfallversorgung, sondern auch drei weitere gesundheitspolitische Gesetzesvorhaben - unter anderem zu Erleichterungen bei Nierenspenden. Weitere Gesetze seien in Vorbereitung, kündigte Lauterbach an: "Die Aufholjagd im Gesundheitssystem ist in vollem Gange."

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