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Israels Verteidigungsminister plädiert für Pause bei Umsetzung der Justizreform

  • AFP - 26. März 2023, 13:56 Uhr
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Proteste am Samstagabend in Tel Aviv gegen die Justizreform
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Angesichts der anhaltenden Massenproteste gegen die geplante Justizreform in Israel hat Verteidigungsminister Joav Galant die Regierung zu einer einmonatigen Unterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens aufgerufen.

Angesichts der anhaltenden Massenproteste gegen die geplante Justizreform in Israel hat Verteidigungsminister Joav Galant die Regierung zu einer einmonatigen Unterbrechung des Gesetzgebungsverfahrens aufgerufen. "Wir müssen den Gesetzgebungsprozess stoppen", sagte Galant am Samstagabend und nannte einen Zeitraum von einem Monat. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, forderte die Bundesregierung auf, den Vorstoß des israelischen Verteidigungsministers zu unterstützen.

Eine fortdauernde Spaltung der Bevölkerung in dieser Frage könne zu einer "wirklichen Bedrohung für die Sicherheit Israels" werden, sagte Galant in einer im israelischen Fernsehen ausgestrahlten Rede. Wer auch immer Sieger in diesem Tauziehen sein werde, "auf der Straße oder in der Knesset", der Staat Israel werde der "Verlierer" sein, sagte der Minister, der Mitglied der Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist. 

Galant plädierte für eine Pause bis zum israelischen Unabhängigkeitstag Ende April, bevor die Abgeordneten in der kommenden Woche über eine veränderte Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern abstimmen sollen - einen Kernpunkt der Reform, der das Gleichgewicht zugunsten der Politik verschieben würde.

Er sei "den Werten des Likud verpflichtet" und stelle "den Staat Israel über alles, aber größere Veränderungen auf nationaler Ebene müssen mit Bedacht und durch Dialog getroffen werden", betonte der Verteidigungsminister, der bislang als enger Vertrauter Netanjahus galt.

Oppositionsführer Jair Lapid begrüßte die Äußerungen des Ministers als "mutigen und wichtigen Schritt für Israels Sicherheit". Zwei weitere Abgeordnete des Likud bekundeten im Onlinedienst Twitter ihre Unterstützung für Galant - was die Frage aufwarf, ob die rechtsreligiöse Regierung eine Mehrheit für die Abstimmung zum Auswahlverfahren der Obersten Richter zusammenbekäme.

Zustimmung zu Galants Vorstoß kam auch aus Deutschland. DIG-Präsident Beck forderte die Bundesregierung zu einem "Signal der Unterstützung" auf. Ein solches wäre angesichts Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson "nur konsequent". Denn Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz dürften "nicht zur Disposition gestellt werden", erklärte Beck. "Weder darf eine Besetzung des Höchsten Gerichtes durch eine Koalitionsmehrheit bestimmt werden, noch dürfen sich politische Mehrheiten in Regierung und Parlament der Kontrolle durch die Gerichte entziehen." 

Unterdessen demonstrierten in Tel Aviv am Wochenende rund 200.000 Menschen gegen den geplanten Umbau der Justiz, wie israelische Medien schätzten. "Wir sind heute hier, um zu demonstrieren und uns den hunderttausenden, wenn nicht Millionen Israelis anzuschließen, die die Werte unterstützen, auf deren Grundlage dieses Land gegründet wurde", sagte der 36-jährige Hightech-Angestellte Daniel Nisman und nannte Demokratie und Toleranz.

In Jerusalem zogen tausende Demonstrierende an der Residenz von Präsident Isaac Herzog vorbei. "Es ist sehr schlimm für unser Land", sagte die 80-jährige Demonstrantin Harriet Scher, die eine Israel-Flagge um ihre Schultern geschlungen hatte. Die Reformen "werden sich sehr nachteilig auf Randgruppen auswirken - auf Lesben, Schwule und die arabische Bevölkerung". Es werde "nicht gut für das Land sein, wenn sie (die Politiker) die totale Kontrolle über den Obersten Gerichtshof haben", fügte sie hinzu.

Seit rund drei Monaten finden in Israel Massenproteste gegen die Reform statt. Auch die wichtigsten Verbündeten Israels, darunter die USA, haben die Reformpläne kritisiert.

Das Vorhaben der ultrarechten Regierungskoalition zielt insgesamt darauf ab, die Befugnisse der Justiz einzuschränken. Netanjahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten hingegen eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie. 

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