In Frankreich ist auch gut eine Woche nach der zweiten Runde der Parlamentswahl die Bildung einer tragfähigen Regierungsmehrheit nicht in Sicht. Am Dienstag wurde aus Regierungskreisen in Paris bekannt, dass Präsident Emmanuel Macron am Abend den Rücktritt der Regierung von Premierminister Gabriel Attal annehmen werde - aber dass diese voraussichtlich bis zum Ende der Olympischen Spiele am 11. August "geschäftsführend" im Amt bleiben werde. Das Linksbündnis stritt derweil weiter über seinen Kandidaten für den Posten des Premierministers.
Die Neuwahlen zum Parlament hatten keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben. Stattdessen bildeten sich drei politische Blöcke, die jeweils die absolute Mehrheit verfehlten und deren Programme kaum miteinander vereinbar sind: ein Linksbündnis mit 193 Abgeordneten, das in der Mitte angesiedelte Regierungslager des Präsidenten mit 164 Abgeordneten sowie die Rechtspopulisten vom Rassemblement National (RN) mit 143.
Macron hatte die Neuwahlen überraschend nach dem Wahltriumph des RN bei den Europawahlen am 9. Juni angesetzt. Im Regierungslager machen sich der Präsident und Attal nach Einschätzung von Beobachtern weiterhin Hoffnungen darauf, eine gemäßigte Regierungsmehrheit ohne die Beteiligung von Links- oder Rechtspopulisten bilden zu können. Bei der Kabinettssitzung am Dienstag sagte Macron Teilnehmern zufolge, es liege nun in der Verantwortung seines Lagers, einen Vorschlag für eine "Mehrheitskoalition" oder einen "breiten Pakt im Parlament" zu unterbreiten.
Dabei müsse das Regierungslager auf der "Bewahrung der wirtschaftlichen Errungenschaften" und auf "Maßnahmen zugunsten der sozialen Gerechtigkeit" bestehen. Das Kabinettstreffen sei "ohne Spannungen, aber auch nicht überschwänglich" verlaufen, sagte ein Teilnehmer später.
Innerhalb des kurz vor den Neuwahlen geschmiedeten links-grünen Bündnisses Neue Volksfront (NFP) machten sich Sozialisten, Grüne und Kommunisten für die 73-jährige Diplomatin Laurence Tubiana als gemeinsame Kandidatin für den Posten der Regierungschefin stark. Dies stieß jedoch auf den Widerstand des linkspopulistischen Bündnispartners La France Insoumise (LFI). LFI-Koordinator Manuel Bompard nannte den Vorschlag "unseriös", da Tubiana eine zu große Nähe zum Regierungslager habe.
Eine Regierung unter Führung der an den Verhandlungen für das Pariser Klimaabkommen von 2015 beteiligten 73-Jährigen würde "die Macronisten wieder durch die Hintertür hineinlassen", sagte Bompard. LFI hatte den Wahlkampf in scharfer Abgrenzung zur Politik Macrons geführt.
Der französische Präsident ist im Prinzip frei darin, einen Kandidaten für den Posten des Premierminister zu benennen - allerdings muss dieser das Vertrauen einer Mehrheit des Parlaments haben, um regieren zu können.
In den vergangenen Tagen waren erhebliche Differenzen zwischen Macron und seinem früheren politischen Zögling Attal publik geworden. Unter anderem soll Attal den Präsidenten für die nun entstandene politische Pattsituation verantwortlich gemacht haben.
Für Donnerstag ist in Paris die konstituierende Sitzung der neu gewählten Nationalversammlung geplant. Dabei steht unter anderem die Wahl des einflussreichen Vorsitzenden des Parlaments an.
Unterdessen wies ein neuer Bericht des französischen Rechnungshofs auf ein Problem hin, das die neue Regierung in Paris massiv beschäftigen dürfte: Demnach stieg die Staatsverschuldung in Frankreich bis Ende März auf mehr als 3,1 Billionen Euro an - was fast 111 Prozent des derzeitigen Bruttoinlandsprodukts (BIP) Frankreichs entspricht und weit jenseits der EU-Schuldengrenze von 60 Prozent liegt.
Der Präsident des Rechnungshofs, der frühere EU-Kommissar Pierre Moscovici, erklärte, ein Abbau der Schulden sei "unvermeidlich" und müsse "von allen politischen Kräften mitgetragen" werden.
Politik
Bisherige Regierung Frankreichs soll geschäftsführend im Amt bleiben
- AFP - 16. Juli 2024, 16:29 Uhr
In Frankreich ist auch gut eine Woche nach der zweiten Runde der Parlamentswahl die Bildung einer tragfähigen Regierungsmehrheit nicht in Sicht.
Weitere Meldungen
Die Abgeordneten im Europaparlament haben zwei deutsche Politikerinnen zu Vizepräsidentinnen gewählt. Mit Abstand die meisten Stimmen erhielt am Dienstag bei der Straßburger
MehrGut zwei Monate vor der Landtagswahl in Brandenburg liegt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einer Umfrage zufolge fast gleichauf mit SPD und CDU. In der am Dienstag
MehrNach dem Eklat um die Moskau-Reise des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban erhöhen Deutschland und die anderen EU-Partner den Druck auf Budapest. Bei einem
MehrTop Meldungen
Die baltischen Staaten haben eigenen Angaben zufolge Russland und seinen Verbündeten Belarus über ihren Ausstieg aus dem Stromnetz der ehemaligen Sowjetunion informiert. "Wir
MehrIn den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Systemgastronomie ist die erste Runde der Gespräche am Dienstag ergebnislos geblieben. Das teilten die Gewerkschaft
MehrDer Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine bisherige Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft im aktuellen Jahr bekräftigt. 2024 sei mit einer Zunahme um 3,2 Prozent der
Mehr