Motor

Auch eine Philosophie: Porsche als Entschädigung für den digitalisierten Alltag

  • Peter Schwerdtmann, cen/ampnet - 29. April 2018, 10:23 Uhr

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Da prallten gleich eine ganze Reihe von Kulturen aufeinander, als am Donnerstag das Porsche Experience Center in Shanghai eröffnet wurde - das sechste auf der Welt und das erste in Asien: Ein junger chinesischer Kollege fragte bei der obligaten Pressekonferenz zur feierlichen Eröffnung, warum denn das Unternehmen Porsche so klein sei und so wenig wachse. Er schien verwundert, dass so ein Zwerg in seiner Heimat so groß auftritt. Vertriebs- und Marketingvorstand Detlev von Platen ließ die Verblüffung über die Frage in freundlichem Schmunzeln untergehen. Hat er doch ein ganz anderes Bild vom geschäftlichen Erfolg der Zuffenhausener - auch in China. 2017 wuchs der Markt für die Porsche-Modelle hier um zehn Prozent auf mehr als 71 000 Auslieferungen.

Die älteren unter den deutschen Kollegen werden sich noch an Jahres-Pressekonferenzen bei Porsche erinnern, die stets mit dem Ausblick endeten: Im kommenden Jahr schaffen wir die 100 000. Wenn das Wachstum der Marke in China so anhält, kann Jens Puttfarcken, der heutige Chef von Porsche in China, den Spruch übernehmen - für seinen Markt allein. Im ersten Quartal waren es schon wieder mehr als 18 600 Fahrzeuge, drei Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Inzwischen stellt China für Porsche den zweitgrößten Markt dar.

Beliebtestes Modell ist der Porsche Macan mit 8600 Auslieferungen im ersten Quartal. Den größten Zuwachs legte der Panamera mit 680 Prozent hin. Aber er dominiert nicht den Erfolg der Marke. Das schaffen die beiden SUV Cayenne und Macan mit 80 Prozent des Absatzes. Nur jeder zehnte in China verkaufte Porsche ist ein 911-er. Aber es soll mehr werden - von allen Modellen.

Von Platen ist sehr sicher, dass die inzwischen sechs Porsche Experience Center dabei helfen werden. Hier können Händler ihre Kunden in der Praxis von ausgewiesenen Experten überzeugen lassen. Und das eben nicht nur im Stand, sondern auf der Rundstrecke ebenso wie auf der Dynamikfläche oder - für die Offroader - auf einem Geländeparcour. Instruktoren stehen dafür bereit. Wer sich zwischen Porsche-Modellen entscheiden soll, der kann das hier mit und ohne Anleitung. Später darf er mit seinem eigenen Porsche gern wiederkommen, um sich hier mit ihm ohne Risiko auf der Rennstrecke auszutoben. Auch Fahrer anderer Marken sind willkommen, immer in der Hoffnung, die Erfahrung bei und mit Porsche könne sie eines Besseren belehren.

Alles nur Marketing? Von Platen winkt nicht ab. Natürlich soll solch ein Experience-Center am Image bauen und verkaufen. Aber das Center bietet mit einer Ausstellung, einem Café und einem Restaurant für gehobene Ansprüche mit dem beziehungsreichen Namen ,,RS" ein paar Möglichkeiten, mit dem Gelände direkt Geld zu verdienen, zum Beispiel mit dem Angebot von Konferenzen in motorsportlichem Charakter und in motorsportlicher Umgebung. Das immerhin 100 000 Quadratmeter große Gelände liegt direkt neben der Formel 1-Strecke von China, dem Shanghai International Circuit.

Die enge Nachbarschaft lohnt sich doppelt. Der Circuit lockt Besucher zum Porsche-Center und er steckt geschäftlich in dem Projekt. Dem Circuit gehört der Grund und Boden. Porsche hat rund 25 Millionen Euro in Strecke und Gebäude gesteckt. Eine Investition in dieser Höhe erneuert natürlich die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Von Platen beantwortet sie mit ein bisschen Demographie: Im 30-Kilometer-Umkreis von Center und Circuit leben rund 300 Millionen Menschen.

Wie die mit ihrem Porsche umgehen, führt zum nächsten kulturellen Unterschied: Porsche fahrende Chinesen sind rund 20 Jahre jünger als gleichgesinnte Europäer, nämlich 35 Jahre. Ein Porsche gilt vielen im alten Europa als ein Vorrecht der Männer. In China sind 30 Prozent aller Porsche-Fahrer weiblich, in Deutschland 10 Prozent. Beim 911-er wird es noch krasser: Der Frauenanteil am Steuer liegt bei 42 Prozent. So wird in Fernost aus einem Symbol der Männlichkeit hierzulande ein Emanzipations-Instrument.

Der größte Konflikt der Kulturen wird in diesen Tagen wieder bei den Besuchern der Auto-China (bis 29. April 2018) deutlich. Porsche stellt dort seine SUV-Studie zum Elektrosportwagen Mission E und den Superrenner Porsche 911 GT2 RS vor. Um zur sogenannten neuen Messe von einem Stadtteil in den anderen zu kommen, brauchten wir morgens für knapp 17 Kilometer fast zwei Stunden, Schnitt unter 10 km/h. Peking ist die Stadt des Dauerstaus. Und was soll da ein Porsche?

Wenn wir noch einmal in die alten Zeiten zurückschalten dürfen, als China noch ganz weit weg schien: Ein Porsche-Vorderer prägte damals den Satz, dessen erster Teil die Zuhörer aufmerken ließ: ,,Der Porsche ist das überflüssigste Auto der Welt, aber jeder will ihn haben." Von Platen unterstrich den Satz mit einem heutigeren Zusammenhang. Porschefahren sei so etwas wie ein Gegengewicht zur digitalen Welt. Nicht, dass der Porsche ein puristischer Sportwagen wäre, einer ohne alles. Porsche nutzt die Vorteile der digitalen Technik voll aus, aber zum Spaß. Das haben die von der Digitalisierung erfassten Chinesen offenbar verstanden. Dieses Gegengewicht Auto gegen Alltag hilft nicht nur Porsche. Es ist erstaunlich, wie viele teure, schnelle oder übergroße Autos sich durch den Stau stehen.

Angebote wie ein Experience-Center sind auch als Stau-Alternative hochwillkommen. Doch das erste chinesische Center von Porsche liegt nun einmal in Shanghai, der moderneren und besser funktionierenden Stadt mit atembarer Luft. Heute gibt es Porsche Experience Center beim Porsche-Werk in Leipzig (2002), dann kam Silverstone (2008), danach Atlanta (2015) und als zweiter Standort in den USA Los Angeles (2016). Und ausgerechnet heute, am Tag der Eröffnung in Shanghai, kündigt Porsche eines in der Heimat an, am Hockenheimring. Der junge chinesische Kollege hatte auch gefragt, wann das nächste Center nach China kommt. Die Antwort blieb aus - vermutlich nicht lange. (ampnet/Sm)

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