Motor

VW Golf GTI: Strietzel Stuck und das Alpen-Glühen (Copyright Fotos)

  • Thomas Schneider - 27. Juni 2016, 14:31 Uhr

Es gehört schon einiges dazu, einer Rennfahrer-Legende mit einer kurzen Spritztour ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Für einen ganz besonderen VW Golf GTI ist das beim Goodwood Festival of Speed aber kein Problem. Zum 40. Geburtstag des Wolfsburger Sportmodells pilotiert Hans-Joachim Stuck die Tourenwagen-Variante des 1er-GTI den Berg von Lord March hinauf. Ein Erlebnis in einem besonderen Wagen.


Es gehört schon einiges dazu, einer Rennfahrer-Legende mit einer kurzen Spritztour ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern. Für einen ganz besonderen VW Golf GTI ist das beim Goodwood Festival of Speed aber kein Problem. Anlässlich des 40. Geburtstags des Wolfsburger Sportmodells pilotiert Hans-Joachim Stuck die Tourenwagen-Variante des 1er-GTI von 1977 den legendären Berg von Lord March hinauf. Ein Erlebnis in einem Wagen mit historischer Bedeutung.

Denn der Rennwagen basiert auf dem GTI 16S, dem ersten Golf mit Vierventil-Technik. Ende der 1970er sorgt der 136 PS starke Sportmotor des Tuners Oettinger mit 16V-Zylinderkopf für Begeisterung bei den ambitionierten Fahrern - und ebenso bei VW selbst. Daher arbeitet der Autobauer beim Golf GTI 1600 E/16 kurzerhand mit Oettinger zusammen und verkauft das Modell nach ausgiebigen Tests auch offiziell über seine Vertragshändler, und bietet es als Sondermodell 16S an.

Den in Goodwood eingesetzten Tourenwagen hat KWL-Motorsport optimiert, der 16V-Rennmotor leistet 222 PS. Der Wagen wird noch heute regelmäßig etwa bei der ADAC-Youngtimer-Trophy eingesetzt und hat schon zahlreiche Klassensiege auf der Nürburgring-Nordschleife erzielt. Und was sagt Strietzel Stuck zu dem historischen Renner? "Das Fahrgefühl ist dank der nur 890 Kilo Gewicht sensationell, ich bin ihn vor fünf Jahren schon mal gefahren. Er macht sehr vielen sportlichen Autos aus dieser Zeit in Sachen Fahrdynamik was vor."

Doch nicht nur diese Rennvariante des 1er-Golf überzeugt den Kenner: "Ich habe auch privat einen originalen GTI von 1979 mit 110 PS und Pirelli-Felgen. 2010 habe ich damit die Kitzbühel-Alpenrallye (Gleichmäßigkeits-Fahrten) gewonnen. Es ist ein Auto, mit dem man auch bei Regen gut fahren kann. In ein paar Tagen fahre ich damit wahrscheinlich in Tirol morgens Brötchen kaufen", sagt Stuck. Ein Beleg für die hohe Alltagstauglichkeit des GTI, die ihn damals wie heute auszeichnet. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass aus den ursprünglich 5.000 geplanten Exemplaren bis dato mehr als zwei Millionen geworden sind. Das hat der GTI seiner treuen Fangemeinde weltweit und der stetigen Weiterentwicklung zu verdanken.

"Wir haben den Anspruch, in dieser von uns geschaffenen Fahrzeugklasse die Benchmark zu setzen", sagt VW-Markenvorstand Jürgen Stackmann. Und das habe man mit dem GTI Clubsport S gerade einmal mehr bewiesen, mit einem Rundenrekord auf der Nordschleife des Nürburgrings. 7 Minuten und 49,21 Sekunden hat die nochmals verschärfte, auf 400 Stück limitierte Version des regulären GTI Clubsport gebraucht, so schnell war hier bisher kein anderer Fronttriebler.

Und das Potenzial des Wagens demonstriert VW natürlich auch in Goodwood. Am Steuer sitzt Marken-Chef Stackmann höchstpersönlich. Und der legt sich ganz schön ins Zeug für seinen Ritt auf der Kanonenkugel: "Ich fahre die Strecke mental schon seit mehr als drei Wochen ab. Ich musste sogar eine Renn-Lizenz machen, um hier zu starten - allerdings im normalen GTI."

Die Topversion Clubsport S mit 228 kW/310 PS ist dann aber doch noch einmal ein anderes Kaliber, erst recht bei dieser Kulisse. Dementsprechend strotzt seine Beschreibung nach dem Lauf geradezu vor Superlativen: "Das Erlebnis war großartig, das Publikum hervorragend und die Begeisterung unglaublich. Das aus der Fahrerperspektive zu erleben, ist sensationell."

Nicht nur beim Motor, sondern vor allem auch beim Fahrwerk hat VW bei der S-Version nochmals Hand angelegt. Hans Joachim Stuck war an der Entwicklung auf dem Nürburgring direkt beteiligt und ist von dem Ergebnis begeistert. "Dem haben wir das Untersteuern so gut wie komplett abgewöhnt, das ist schon beeindruckend", sagt er. Und wie funktioniert das? "Um das Untersteuern zu neutralisieren und gleichzeitig den Griplevel zu steigern, haben wir an der Vorderachse entsprechend gegengesteuert und die Radträger spezifisch ausgeführt'', sagt der Leiter der Fahrwerkabstimmung, Karsten Schebsdat. Die Folge sei ein höherer Sturzwinkel. Das erhöhe das Seitenführungs-Potenzial und optimiere damit den Grip an der Vorderachse. Und das erlaubt noch weiter erhöhte Kurvengeschwindigkeiten. Dementsprechend zeigt der Clubsport S sogar dem bisherigen Ober-Golf "R" auf der Rennstrecke die Rücklichter. Letzterer ist mehr auf souveränen Durchzug und dank Allrad auf eine besonders satte Straßenlage ausgelegt, ist aber nicht so aggressiv abgestimmt und lenkt nicht ganz so knackig ein wie die Clubsport-Variante.

Und noch eine technische "Spielerei" geben die Ingenieure dem Clubsport S mit auf den Weg: Exklusiv in dem Top-Modell ist für Hobby-Racer über die Fahrprofilauswahl ein Setting für die Nordschleife abrufbar, das gezielt an die einzigartigen Bedingungen auf dem Nürburgring angepasst wurde.

Der Golf GTI hat sich in den zurückliegenden vier Jahrzehnten also deutlich sichtbar entwickelt: von einem Versuchsballon zum alltagstauglichen Sportwagen für die breite Masse und bis heute zum waschechten Racer in der stärksten Ausführung. Und wie geht es weiter mit dem Kult-Label aus Wolfsburg? Eines ist in jedem Fall klar: Beim GTI - sei es als Golf oder auch als Polo seit 2006 - geht es in erster Linie um Emotionen. Die weckt das Sportmodell von VW wie kaum eine anderes. Da kann wohl einzig der "Turbo" von Porsche einigermaßen mithalten, dann kommt lange nichts. "Diese Emotion tut VW sehr gut, gerade momentan", sagt Strietzel Stuck, "und die Fans leben sie". Da werden der Renn-Legende vermutlich mehr als zwei Millionen GTI-Besitzer zustimmen.

Thomas Schneider

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